Montag, 25. Juli 2011

der hass der demokratie

das von rechtsaußen die demokratische gesellschaft erschütternde attentat, nein, besser: der terroranschlag, zeigt wohin die westlichen politischen systeme steuern. betrachtet man die motivation - die angesichts des umfangreichen manifests des täters wohl gut nachzuzeichnen ist - wird deutlich, dass die neoliberale, entpolitisierte konsensgesellschaft früher oder später solche radikalen akte gebärt.
interessanterweise wird aber jetzt, angesichts der deutlichen symptomatik, die krankheit negiert und einfach stupide abgelenkt. anstatt anzuerkennen, dass es eine politische tat war, wird der täter dämonisiert, zum verrückten erklärt. die tat verliert so ihren kontext, der grund, die motivation wird gänzlich außer acht gelassen. die tat wird nicht als symptom einer postpolitischen gesellschaft erkannt, sondern als zwar schrecklich, aber doch nur singulär weil von einem irren durchgeführt abgetan.
damit kommen wir nicht weiter. ich will damit nicht sagen, dass anschläge in dieser dimension zur tagesordnung gehören werden, aber wir verkennen die krankheit unserer "demokratie". der politische streit ist nivelliert, tina hat das sagen, der demos ist ohne verantwortung. das erlaubt zwei schlüsse: entweder wir akzeptieren diesen apolitischen zustand als neue form der herrschaft und verabschieden uns damit von unserer vorstellung der demokratie, oder wir erlauben eine repolitisierung, akzeptieren den politischen streit als prinzip der demokratie und verhindern somit eine weitere radikalisierung der äußeren rände. denn dass die extreme linke in der postpolitischen situation vermutlich nicht gewaltfrei bleiben wird steht wohl nicht zur debatte.

7 Kommentare:

  1. Du hast Recht, der Attentäter wird in den Medien eher wie ein Amokläufer, der aus persönlichen Problemen und Hass auf sein Umfeld agierte, dargestellt, anstatt dem eines Terroristen mit einem klaren ideologischen Bild.

    Wie könnte so eine Repolitisierung, von der du sprichst, aussehen?

    Noch eine Frage: Wer ist Tina?

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  2. tina ist die abkürzung für: there is no alternative, also der methode wie aktuell politik gemacht wird, also zb bei der bankenrettung...
    ich bin ein anhänger die ideen von chantal mouffe und jaques ranciere, die den streit (bzw bei mouffe agonismus) als politisches prinzip sehen. für sie ist die neoliberale konsensdemokratie apolitisch (bzw postpolitisch), weil kein streit mehr stattfindet und somit das wesentliche merkmal der demokratie unterdrückt wird. ein terroranschlag wie jetzt in norwegen ist somit nur die logische folge der unterdrueckung des eigentlich natuerlichen

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  3. Wenn ich dich richtig verstanden habe stellst du die These auf, dass die Tat in Norwegen ein Symptom der falschen politischen Kultur ist?
    Und denkst du die Tat wäre verhindert worden, wenn man in politischen Debatten "streiten" würde, sich also von den politischen "Misch-Masch Konsens Entscheidungen" entfernen würde?

    Interessanter Ansatz...

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  4. naja, die schlussfolgerung ist natürlich rein hypothetisch. die vorgestellte argumentation macht im politischen denken von chantal mouffe durchaus sinn wie ich finde, ist aber natürlich nicht die wahrheit (sofern es soetwas geben sollte). die apolitische gesellschaft kann natürlich nicht der einzige grund der tat sein, singuläre kausalitäten sind selten, bzw nie vorhanden. also man darf keinesfalls die anderen, unterschiedlichen gründen vernachlässigen oder gar negieren. natürlich ist der geisteszustund des täters (aus der ferne betrachtet) nicht gerade das, was wir gesund nennen. aber ich denke doch, dass die mouffe'sche analysesichtweise eine weitere perspektive eröffnet, die unter umständen nicht außer acht gelassen werden darf...

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  5. Wenn ich den Eintrag richtig verstanden habe, sind wir eigentlich einer Meinung. Ein Streit wie du ihn forderst kann aber nur dann stattfinden, wenn man nicht jede vom Mainstream abweichende Meinung als "rechtsradikal" oder "linksradikal" einstuft wie das heute geschieht. Und dass sich dies in naher Zukunft ändern wird, ist imho nicht zu erwarten.

    Gruß
    T.

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  6. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  7. allerdings mit einer einschränkung: chantal mouffe unterscheidet in ihrer theorie antagonismus und agonismus. ersteres ist feindschaft und zielt auf die auslöschung des anderen, während der agonsimus gegnerschaft bedeutet und die legitimität der existenz des anderen akzeptiert. die zähmung des antagonismus zum agonismus findet in der demokratie statt, man hat sich quasi auf die grundlegenden institutionen und verfahren geeinigt und deren geltung akzeptiert. insofern sind beide extreme, die sich ja eher antagonistisch als agonistisch gegenüber stehen, nicht mehr teil der demokratie und insofern auch nicht wirklich wünschenswert. allerdings hast du prinzipiell mit dem "mainstream" und dessen abweichungen schon recht.

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