Donnerstag, 1. September 2011

fortschritt und stilltstand

nachdem jetzt sowohl torschtl als auch schafott mehr oder weniger häufig und mehr oder weniger aktuell über den werdegang ihrer bachelorarbeit berichten (bzw. berichtet haben), habe auch ich mich dazu entschlossen, ab und an ein paar sätze zu meiner arbeit mitzuteilen.
nun, wo fange ich an? eigentlich stand mein thema anfang juli fest, ich wollte den begriff des politischen bei chantal mouffe und jacques rancière untersuchen und die erkenntnis mit deren vorstellung des demokratischen vergleichen. am ende wäre vermutlich gestanden, dass beide nicht groß zwischen den beiden begriffen unterscheiden - die konsequenzen daraus hatte ich mir noch nicht so genau überlegt. aber dann kam breivik, norwegen, oslo, die toten. wie in einigen einträgen in diesem blog bereits zu lesen war, sehe ich hier anknüpfungspunkte zur theorie der agonalen demokratie bei mouffe. dementsprechend lautet der titel meiner arbeit auch "das attentat von norwegen als postpolitisches ereignis? ein theoretischer erklärungsansatz im spiegel des demokratiebegriffs von chantal mouffe"
ich stelle die these auf, dass in den postpolitischen (zumindest laut mouffe), liberalen konsensdemokratien der streit, also das politische, fehlt und somit die demokratie an sich nicht funktioniert bzw für die in den betreffenden staaten lebenden menschen kein zufriedenstellender zustand herrscht. da der streit eigentlich zur politischen kultur der demorkatie gehört und dieser aber nicht statt findet, suchen sich menschen notwendigerweise ein ventil. bei breivik war das ventil eben der politische mord. so weit, so haarsträubend. aber es wird noch besser: breivik wird weithin zum verrückten erklärt (nicht nur vom boulevard, auch vor gericht wird es wohl darauf hinaus laufen). das ist eine logische reaktion des staates, oder vielmehr - um in der terminologie von michel foucault zu bleiben - der ordnung. etwas, das nicht zum system passt, muss als krank definiert werden, um nicht als fehler des systems zu gelten, sondern weiterhin als singuläre erscheinung betrachtet zu werden. breiviks tat war also tragisch, aber er ist eben auch verrückt, was will man da schon erwarten? amokläufe finden immer wieder mal statt. genau so einfach kommt die ordnung aber nicht davon, foucault dekonstruiert dieses interesse und ich übernehme das.
natürlich muss man sich mit den implikationen der these auseinandersetzen. zum einen würde das bedeuten, dass politischer mord in agonalen demokratien nicht passieren darf/kann, bzw. dass breivik keine singuläre erscheinung in den postpolitischen gesellschaft bleiben wird und "in the long run" weitere attentate passieren werden. zudem legitimiert mouffes erklärungsmodell breiviks tat, will man das? es lässt sich zudem leicht kritisieren, dass mouffe/foucault die tat sehr isoliert betrachten. natürlich muss man die frage nach dem geisteszustand breiviks stellen, nach seiner sozialen integration, uvm.
es sollte also eine ziemlich spannende arbeit werden. die frage, wie ich das löse bleibt natürlich. rein normativ zu werden und sagen "das geht nicht", das geht nicht.
Symbolbild

3 Kommentare:

  1. Schön, dass du dich unserem Trend anschließt ;)

    Was ich aus deinem Text mitnehme: Den Gedanken, dass etwas, das nicht zum System passt, als krank bezeichnet wird, da sonst das System einen Fehler hat. Finde ich sehr interessant.

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  2. danke für den interessanten und gut nähergebrachten einblick. foucault ist schon gut, nur hoffe ich, dass du nicht zu viel von ihm im original lesen musst/musstest, denn das fand ich rein sprachlich einfach schwer.

    ansonsten:
    "der streit, also das [eigentlich] politische fehlt"
    ...ja nicht per se, er vollzieht sich nur
    a) entlang der kleinigkeiten, die nach allen juristischen, wissenschaftlichen und v.a. wirtschaftlichen imperativen noch durch politik beeinflussbar sind und/oder
    b) auf ebenen, die für normalbürgerInnen nicht mal eben zu durchdenken sind.

    oder?

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  3. der streit findet auch dort nicht statt, denn entscheidungen werden (zwar findet hier durchaus streit statt, aber das ist ein anderer) nicht mehr nach politischen gesichtspunkten getroffen, sondern nach expertenmeinung. nun ist das ja prinzipiell nichts schlechtes, nur eben nicht demokratisch. man darf den ursprung des wortes nicht vergessen, um der demokratie gerecht zu werden. der streit, der "entlang der kleinigkeiten" statt findet ist kein politischer.

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